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Stile und Jahrhunderte gleiten schwerelos ineinander

...Die Besucher tasten sich auf einem schmalen, mit Teelichtern gesäumten Trampelpfad durch die nächtliche Aue. Ein Gitter aus Lichtbalken liegt hinauf bis in die Baumwipfel, links gluckert der Trombach, ein Pendel stößt wie zufällig an Röhrenglocken, von rechts ruft eine einsame Flöte Mit diesen unheimlich-heimeligen Eindrücken schickt Sigune von Osten ihre Fangemeinde auf den Nachhauseweg.

Schon seit zehn Jahren pilgern die Anhänger der Avantgarde- und Weltmusik aus Berlin und Straßburg, ja sogar aus Italien zu ihrem zweitägigen Festival PARKMUSIK-Neue Ho(e)rizonte nach bad Münster am Stein. Besonders Großstädter genießen die Abgeschiedenheit der ehemaligen frühchristlichen Einsiedelei denn, so meint ein Stammgast, an keinem anderen Ort könne man die "innere Batterie" so schnell und intensiv aufladen wie hier.

Nicht nur aus der Aue, vor allem auch aus der ehemaligen Kapelle neben dem Gutshaus hat Sigune von Osten in der Tat eine Art Tankstelle für die Sinne gemacht: Im schummrigen Kerzenlicht, den Geruch von feuchtem Lehm und Gebälk in der Nase, wird hier auf allerhöchstem Niveau musiziert. In diesem Jahr etwas etwa vom Blockflöten-Ensemble Flautando Köln im reizvollen Wechselspiel mit dem Schweizer Alphornduo Echo vom Zürihorn: Die weichen Renaissance-Klange alter Tanzweisen und Ricercari wehen wie ferne Jugenderinnerungen um die Mauern der 1399 erbauten Kapelle.

Später rauschen moderne live-elektronisch abgemischte Flüstertöne mit gespenstigem Echo bis unter das Dach wie der Wind durch die rissigen Ziegel vergangener Zeiten. Schwerelos gleiten an diesem Abend Musikstile und Jahrhunderte ineinander, Vergangenes dringt ins Heute, ein fröhlich jazzender Alphorngesang begegnet schlichter Dreiklangsmelodik. Genau das sind die "neuen Ho8e)rizonte", die Sigune von Ostens PARKMUSIK auszeichnen. Das Festival lebt nicht vom sensationslüsternen Griff zum möglichst Schrägen, sondern von geschickten Gespür für Stimmung und Verbindung von Klängen und Traditionen. Auch die aufregende rhythmische Kraft der beiden deutsch-koreanischen und deutsch-brasilianischen Trommel-Ensembles zum Auftakt des Abends bot Energie pur für leere Batterien: Zuerst ein behutsames klopfendes Herantasten an den menschlichen Pulsschlag, später dann Techno-disko-verdächtige Ekstase oder südafrikanisch- vergnügten Karnevalszauber...

Allgemeine Zeitung Mainz / Feuilleton 28. August 2006

Trommeln in der Trombach (Aue)
Ensemble Su, Korea  Sapucaiu, Brasilien Ensemble Masa Daiko, Japan  Adikanfo, Ghana  Sidare, Irak

Wind- und Saitenspiele (ehemalige Kapelle)
Flautando Köln, Blockflöten   Echo vom Zürihorn Alphörner/Musche
lhörner/Didgeridoo
Xu Fengxia, Zheng  Gunda Gottschalk, Violine/Viola  Duo Sidare, Oud/Gesang

Licht- und Klanginstallationen (Hof und Aue))
Ingo Bracke, wolkenhain.aktionen.06
ART POINT
FREUNDE DES TROMBACHER HOFES e.V.
Förderung  Kultursommer Rheinland-Pfalz  Stiftung Rheingrafenstein
ŠkodaAuto Deutschland GmbH  Hanna und Dieter Paulmann   Raabdruck Lindemann